Bandscheiben verstehen und therapieren
Autoren: Timm Schollenberger & Richard Schradin
Mit diesem Guide möchten wir dir zeigen, welche wichtige Rolle die Bandscheiben für den Körper spielt und was du für sie machen kannst. Hierfür beziehen wir uns ausschließlich auf wissenschaftliche Studien und unsere jahrelange Erfahrung in der Praxis.
1. Die Bandscheiben und der Bandscheibenvorfall: Anatomie, Ursachen und Mythen
Die Anatomie und Funktion der Bandscheiben
Die Bandscheiben (Disci intervertebrales) sind knorpelige Strukturen, die sich zwischen den Wirbelkörpern der menschlichen Wirbelsäule befinden. Sie bestehen aus einem äußeren Faserring (Anulus fibrosus) und einem inneren Gallertkern (Nucleus pulposus). Die Hauptfunktion der Bandscheiben besteht darin, die Wirbelsäule beweglich zu halten und als Stoßdämpfer Druckkräfte gleichmäßig zu verteilen1. Sie tragen wesentlich zur biomechanischen Stabilität und Flexibilität der Wirbelsäule bei.2
2. Der Bandscheibenvorfall: Ursachen und Risikofaktoren
Ein Bandscheibenvorfall (Diskusprolaps) entsteht, wenn der Gallertkern durch Risse im Faserring austritt und auf umliegende Nervenstrukturen drückt. Dies kann zu Schmerzen, Taubheitsgefühlen oder Lähmungen führen.3
Unterschied zwischen Vorwölbung und Vorfall
Eine Bandscheibenvorwölbung (Protrusion) ist von einem Bandscheibenvorfall zu unterscheiden. Während sich bei einer Protrusion der Gallertkern in den Faserring vorwölbt, bleibt dieser intakt. Beim Vorfall hingegen tritt der Gallertkern durch den Faserring hindurch und kann auf Nervenwurzeln oder das Rückenmark drücken.4
Risikofaktoren für einen Bandscheibenvorfall
Zu den Hauptrisikofaktoren zählen:
3. Mythen über den Bandscheibenvorfall
Mythos 1: Ein Bandscheibenvorfall verursacht immer Schmerzen
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass ein Bandscheibenvorfall zwangsläufig mit starken Schmerzen einhergeht. Studien zeigen jedoch, dass viele Menschen Bandscheibenvorfälle haben, ohne Symptome zu verspüren. Eine MRT-Studie ergab, dass 30 % der gesunden 20-Jährigen und über 90 % der 60-Jährigen eine Bandscheibenvorwölbung aufweisen, ohne dass sie Beschwerden haben.9
Mythos 2: Bewegung ist schädlich für die Bandscheiben
Lange Zeit wurde angenommen, dass körperliche Aktivität das Risiko für Bandscheibenschäden erhöht. Tatsächlich zeigt die Forschung, dass regelmäßige Bewegung die Rückenmuskulatur stärkt und das Risiko für Bandscheibenprobleme reduziert.10 Inaktive Personen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule zu entwickeln.11
Mythos 3: Eine Operation ist die einzige Lösung
Viele Menschen glauben, dass ein Bandscheibenvorfall operiert werden muss. Tatsächlich zeigen Studien, dass konservative Therapien wie Physiotherapie und gezielte Bewegungstherapie in den meisten Fällen ausreichend sind12. Eine Operation ist meist nur dann notwendig, wenn neurologische Ausfälle oder starke, therapieresistente Schmerzen vorliegen.
4. Wie sieht die Therapie eines Bandscheibenvorfalls aus?
Die Behandlung eines Bandscheibenvorfalls kann sowohl konservativ als auch operativ erfolgen.
Konservative Therapie:
Ziel ist es, Schmerzen zu lindern und die Funktionalität der Wirbelsäule aufrechtzuerhalten, da konservative Maßnahmen die Bandscheibenfunktion selbst nicht wiederherstellen können.13
In der akuten Phase konzentriert sich die Behandlung vor allem auf Schmerzmanagement.
Zur kurzfristigen Schmerzlinderung kann man medikamentöse Maßnahmen wie Analgetika, Entzündungshemmer sowie Infiltrationen oder manuelle Techniken einsetzen14.
In der Rehaphase ist es wichtig, dass vor allem Dehnungsübungen, Mobilisationen wie auch Kraftübungen zur Stabilisierung der Wirbelsäule durchgeführt werden.
Zusätzlich sollte man präventive Maßnahmen ergreifen, um das Risiko eines erneuten Bandscheibenvorfalls zu minimieren. Dazu gehören rückenschonendes Heben und Sitzen, Rückensportgruppen, regelmäßige körperliche Aktivität und Krafttraining, um die Belastung der Bandscheibe zu reduzieren.15
Studien zeigen, dass eine konservative Behandlung langfristig ähnliche Ergebnisse wie eine Operation liefert. Nur in etwa 10–15 % der Fälle ist ein operativer Eingriff erforderlich, insbesondere bei anhaltenden starken Schmerzen oder akuten neurologischen Defiziten wie Lähmungen16.
Operative Therapie:
Wird nur in bestimmten Fällen in Erwägung gezogen, insbesondere wenn man unter akuten Lähmungen leidet, die sich verschlechtern, oder wenn Blasen- und Mastdarmstörungen auftreten. Ebenso kann eine Operation notwendig sein, wenn trotz intensiver konservativer Behandlung über einen längeren Zeitraum starke Schmerzen bestehen17.
Das Hauptziel der Operation besteht darin, den mechanischen Druck auf die Nervenstrukturen zu beseitigen. Hierbei kommen in der Regel mikrochirurgische Verfahren oder minimalinvasive Techniken zum Einsatz. Im Anschluss an den Eingriff ist eine gezielte physiotherapeutische Rehabilitation essenziell, um die Muskulatur zu stärken und Rückfälle zu vermeiden.18
5. Wie können wir dich hier bestmöglich unterstützen?
Wenn du unter einem Bandscheibenvorfall leidest, wissen wir, wie belastend das für dich sein kann. Bei uns im Move erhältst du fachkompetente Unterstützung, die dir dabei hilft, schnell wieder auf die Beine zu kommen. Unser Team aus erfahrenen Physio- und Sporttherapeuten ist darauf trainiert, deine Muskulatur gezielt zu stärken, deine Beweglichkeit zu fördern und dir zu helfen, Schmerzen zu lindern.
Wir bieten dir individuelle Therapie- und Trainingspläne, die auf deine Bedürfnisse abgestimmt sind. Dabei berücksichtigen wir stets deine persönliche Verfassung und gehen mit dir gemeinsam durch jede Phase der Rehabilitation. Unsere Experten erklären dir auch, wie du selbst aktiv zur Prävention und langfristigen Stabilisierung deines Rückens beitragen kannst. Mit unserer Unterstützung wirst du nicht nur die akuten Beschwerden lindern, sondern auch langfristig das Risiko von Rückfällen minimieren
6. Fazit
Bandscheiben sind wichtig für die Beweglichkeit und Stabilität der Wirbelsäule. Ein Bandscheibenvorfall kann verschiedene Ursachen haben, führt jedoch nicht immer zu Beschwerden. Häufige Mythen, wie die Annahme, dass Bewegung schädlich sei oder eine Operation zwingend nötig ist, sind wissenschaftlich widerlegt.
Die konservative Therapie setzt auf Physiotherapie, um Schmerzen zu lindern, die Muskulatur zu stärken und die Beweglichkeit zu verbessern. Zudem ist es wichtig, Patienten über Eigenaktivität und Prävention aufzuklären. Eine individuelle, ganzheitliche Behandlung in Kombination mit vorbeugenden Maßnahmen hilft langfristig, Rückfälle zu vermeiden19.
7. Quellenangabe
- Fardon et al., 2014 ↩︎
- Bogduk, 2012 ↩︎
- Jensen et al., 1994 ↩︎
- Fardon et al., 2014 ↩︎
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- Adams & Roughley, 2006 ↩︎
- McGill, 2016 ↩︎
- Watanabe et al., 2014 ↩︎
- Brinjikji et al., 2015 ↩︎
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- Belavy et al., 2017 ↩︎
- Peul et al., 2007 ↩︎
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 2018; Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen [IQWiG], 2022 ↩︎
- Jordan & Konstantinou, 2011; Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs, 2022 ↩︎
- Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie et al., 2021 ↩︎
- Yoon & Koch, 2021; Bundesministerium für Gesundheit, 2023 ↩︎
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- 1. Bambrick, M. (2021). Pain, pain go away: A Ultimate Guide To Physical Therapy For Sufferers: Chronic Pain Management Guidelines. Independently Published.
- Finan, P. H., Goodin, B. R. & Smith, M. T. (2013). The Association of Sleep and Pain: An Update and a Path Forward. Journal Of Pain, 14(12), 1539–1552. https://doi.org/10.1016/j.jpain.2013.08.007
- Harvard Health. (2024, 26. März). Foods that fight inflammation. https://www.health.harvard.edu/staying-healthy/foods-that-fight-inflammation
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- Understanding the Link Between Chronic Disease and Depression. (o. D.). National Institute Of Mental Health (NIMH). https://www.nimh.nih.gov/health/publications/chronic-illness-mental-health
- Xiao, J. (2020). Physical Exercise for Human Health. Springer Nature.
Autoren
Timm Schollenberger
Physiotherapeut
Timm ist seit 2022 Teil des Move-Teams und bringt eine besondere Leidenschaft für wissenschaftliches Arbeiten und die Betreuung von Kniepatienten, insbesondere nach Kreuzbandverletzungen, mit. Neben der Therapie von Sportverletzungen widmet er sich den Themen Ernährung und Schlaf, um seinen Patienten ganzheitliche Unterstützung zu bieten.