Schlaf: warum ist er so wichtig für uns?
Autoren: Lisa Gautschi & Luca Schollenberger
Lieber Kunde / Patient,
Mit diesem Guide möchten wir dir zeigen, welche wichtige Rolle Schlaf im Heilungs- und Rehabilitationsprozess, aber auch in deinem Leben spielt und welche Maßnahmen du ergreifen kannst, um diese positiv zu beeinflussen. Hierfür beziehen wir uns ausschließlich auf wissenschaftliche Studien und unsere jahrelange Erfahrung in der Praxis.
1. Warum Schlaf wichtig für unsere Gesundheit ist
Schlaf spielt eine zentrale Rolle für unsere körperliche Gesundheit, da er wichtige Regenerationsprozesse unterstützt und ist somit für unser Wohlbefinden unerlässlich. Während des Schlafs regeneriert sich der Körper, Wachstumshormone werden freigesetzt und das Immunsystem gestärkt, indem er die Produktion von Zytokinen (Immunmoleküle) anregt, die gegen Entzündungen wirken.1
Schlaf fördert auch die geistige Leistungsfähigkeit, indem er das Gedächtnis und die kognitive Funktion unterstützt.2 Zudem trägt Schlaf zur emotionalen Stabilität bei und hilft, negative Emotionen zu regulieren.3
In unserem Alltag sind wir täglich mit vielen Eindrücken und Erlebnissen konfrontiert, die wir entsprechend verarbeiten müssen. Während des Schlafs, werden emotionale Erfahrungen verarbeitet und das Gedächtnis konsolidiert (gespeichert). Eine ausreichende Nachtruhe ist wichtig, um neue Informationen zu speichern und kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit und Problemlösungsfähigkeiten aufrechtzuerhalten.4
1.1 Folgen von Schlafmangel
Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, wie Schlafmangel oder schlechte Schlafqualität sowohl kognitive als auch physiologische Prozesse negativ beeinflussen können.
Schlafmangel ist mit einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen assoziiert. Eine Meta-Analyse von Cappuccio et al. (2010) zeigte, dass Menschen, die weniger als sechs Stunden pro Nacht schlafen, ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und Herzinfarkte haben. Darüber hinaus kann Schlafmangel zu Stoffwechselstörungen wie Insulinresistenz und einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes führen.5 Schlafmangel kann sogar die geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigen und das Risiko für psychische Erkrankungen erhöhen. Studien zeigen, dass Schlafstörungen mit Depressionen, Angstzuständen und einer erhöhten emotionalen Reaktivität in Verbindung stehen.6 Chronischer Schlafmangel kann zu einer Verschärfung der Symptome dieser Erkrankungen führen.
2. Die Schlafphasen in Kürze
Der menschliche Schlaf besteht aus mehreren Phasen, die sich in spezifischen Mustern innerhalb eines Schlafzyklus abwechseln. Die Hauptphasen des Schlafes lassen sich in den leichten Schlaf, den Tiefschlaf und den REM-Schlaf unterteilen. Die einzelnen Phasen sind für die Aufrechterhaltung der körperlichen und geistigen Gesundheit von essenzieller Bedeutung, da sie unterschiedliche regenerative Funktionen erfüllen.
2.1 Leichter Schlaf, Tiefschlaf und REM-Schlaf
Leichter Schlaf
Der leichte Schlaf stellt den Übergang zwischen Wachsein und tieferem Schlaf dar. Diese Phase stellt mit einem Zeitanteil von 50–60 % am gesamten Schlaf einen bedeutsamen Zeitraum dar. Sie ist durch eine Verlangsamung der Herzfrequenz, des Atemrhythmus und der Gehirnaktivität gekennzeichnet.7 Obgleich der Organismus in dieser Phase eine Entspannung durchläuft, kann die Präsenz externer Reize ein Aufwachen initiieren.
Tiefschlaf
Der als Slow-Wave-Sleep (SWS) bezeichnete Tiefschlaf stellt die erholsamste Schlafphase dar. Diese Phase ist durch langsame Gehirnwellen (Delta-Wellen), eine verringerte Herzfrequenz sowie eine niedrigere Körpertemperatur gekennzeichnet.8 Der Tiefschlaf spielt eine entscheidende Rolle bei der physischen Erholung sowie bei Prozessen im Gehirn, bei dem Informationen langfristig gespeichert werden, die wir bewusst lernen oder erleben.
REM-Schlaf
Der REM-Schlaf (Rapid Eye Movement) ist durch schnelle Augenbewegungen, lebhafte Träume und eine erhöhte Gehirnaktivität gekennzeichnet, die in ihrer Ausprägung dem Wachzustand ähnelt (Siegel, 2005). Diese Phase spielt eine wesentliche Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen sowie das langfristige Abspeichern von Informationen im Gehirn. Im REM-Schlaf bleibt die Muskulatur weitgehend gelähmt, um zu verhindern, dass Träume physisch ausgelebt werden.9
2.2 Der Schlafzyklus und seine Bedeutung
Der Schlafzyklus umfasst typischerweise 90–110 Minuten und wiederholt sich während der Nacht etwa vier- bis sechsmal. Ein Schlafzyklus umfasst eine Abfolge von leichten und tiefen Schlafphasen sowie der REM-Phase10. Die zeitliche Verteilung sowie die Dauer der einzelnen Phasen unterliegen einer Variation im Verlauf der Nacht. In den ersten Zyklen manifestiert sich eine Dominanz des Tiefschlafes, wohingegen in den späteren Zyklen ein erhöhtes Auftreten des REM-Schlafes zu beobachten ist.
Das Zusammenspiel der Schlafphasen ist von entscheidender Bedeutung für die Bedeutung des Schlafzyklus. Der Tiefschlaf fördert die körperliche Regeneration, die Immunabwehr sowie die Konsolidierung und das Abrufen von Gedächtnisinhalten. Demgegenüber ist der REM-Schlaf für die kognitive Leistungsfähigkeit sowie die emotionale Stabilität von essenzieller Bedeutung. Laut Goldstein und Walker (2014) ist die zyklische Abfolge entscheidend für die emotionale und kognitive Gesundheit. Eine Unterbrechung oder Verkürzung des Schlafzyklus kann daher negative Konsequenzen für die Gesundheit und das Wohlbefinden haben11.
3. Wie viel Schlaf brauchen wir?
Das Schlafbedürfnis ist individuell verschieden und hängt stark vom Alter und anderen Faktoren wie Gesundheit und Lebensstil ab.
3.1 Altersabhängige Schlafbedürfnisse
Die individuellen Schlafbedürfnisse variieren im Verlauf der Lebensspanne und stehen in engem Zusammenhang mit den spezifischen Entwicklungsanforderungen des menschlichen Gehirns. In jungen Jahren ist die Schlafdauer von Kindern und Jugendlichen deutlich höher als die von Erwachsenen, da sie eine Vielzahl an täglichen Eindrücken und neuen Erfahrungen verarbeiten müssen.
Schlafbedarf bei Kindern und Jugendlichen:
- Neugeborene und Säuglinge: Neugeborene und Säuglinge: Täglich ist ein Schlafbedarf von bis zu 17 Stunden zu verzeichnen, der für die neuronale Entwicklung, bei der grundlegende Verknüpfungen im Gehirn entstehen, essenziell ist12. Auch nach der Säuglingszeit bleibt der Schlafbedarf hoch, da Kinder in Schule und Alltag zahlreichen Reizen ausgesetzt sind.13 Insbesondere der REM-Schlaf unterstützt die emotionale Verarbeitung und die Entwicklung motorischer, sprachlicher und kognitiver Fähigkeiten14.
- Jugendliche: Um hormonelle Umstellungen und die hohen kognitiven Anforderungen zu bewältigen, ist ein Schlafbedarf von 8–10 Stunden erforderlich.
Schlafbedarf bei Erwachsenen und älteren Menschen:
- Erwachsene: Erwachsene: 7–9 Stunden Schlaf genügen, da das Gehirn effizienter arbeitet und weniger neuronale Neubildungen erforderlich sind.
- Ältere Menschen: Der Schlafbedarf bleibt ähnlich, jedoch sinkt die Schlafqualität mit zunehmendem Alter. Dies ist insbesondere auf eine Reduktion der Tiefschlafphasen zurückzuführen.
Geschlechterspezifische Unterschiede:
- Frauen: Häufig höherer Schlafbedarf aufgrund hormoneller Schwankungen, z. B. während des Menstruationszyklus oder der Schwangerschaft.
- Männer: Höheres Risiko für Schlafstörungen, wie z. B. Schlafapnoe, und stärkere Belastung durch Stress, was die Schlafqualität beeinträchtigen kann.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Kinder und Jugendliche in der Phase der Gehirnentwicklung und Reizverarbeitung mehr Schlaf benötigen, um die damit einhergehenden Anforderungen zu bewältigen. Ein Mangel an Schlaf in dieser kritischen Phase kann zu langfristigen kognitiven und emotionalen Nachteilen führen. 15
3.2 Anzeichen für zu wenig Schlaf
Die Symptome von Schlafmangel manifestieren sich auf unterschiedlichen Ebenen, sowohl auf der körperlichen als auch auf der psychischen. Bei einer chronischen Reduktion der Schlafdauer können diese Symptome eine schwerwiegendere Ausprägung annehmen. In ihrer Studie aus dem Jahr 2014 legen Goldstein und Walker die Auswirkungen von Schlafmangel auf die emotionale und kognitive Funktion dar.
Weitere Studien verdeutlichen die typischen Symptome:
- Emotionale Dysregulation: gesteigerte emotionale Impulsivität und reduzierte Stressbewältigung16
- Verminderte kognitive Leistungsfähigkeit: Konzentrationsprobleme, Gedächtnisstörungen sowie ein erhöhtes Risiko für Unfälle und signifikante Beeinträchtigung der Reaktionszeit sowie der Entscheidungsfindung 17
- Physische Symptome: Zunahme der Müdigkeit (Sichtbar durch Augenringe); erhöhte Anfälligkeit für Erkältungen (Geschwächtes Immunsystem); erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Bluthochdruck und Diabetes mellitus Typ II, wenn der Schlafmangel über einen längeren Zeitraum anhält18.
- Langfristige Auswirkungen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen; Übergewicht; psychischen Störungen (Depressionen und Angststörungen19
4. Schlafstörungen
4.1 Häufige Ursachen für Schlafprobleme
Die Ursachen für Schlafstörungen können verschiedener Natur sein. Im Folgenden findest du einige Faktoren, welche Einfluss auf deinen Schlaf haben können:
- Stress und Angst: Stress aktiviert das sympathische Nervensystem und erhöht den Cortisolspiegel, was den Schlaf beeinträchtigt.20 Zudem ist chronischer Stress ein häufiger Auslöser für Schlafprobleme21.
- Depressionen: Etwa 75 % der Menschen mit Depressionen leiden unter Schlafstörungen, was durch biochemische Veränderungen im Gehirn und ständige Gedankenkreisläufe bedingt ist.22
- Schlafapnoe: Atemaussetzer im Schlaf (Schlafapnoe) führen zu häufigen Schlafunterbrechungen und erhöhen das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen.23
- Schichtarbeit: Die Störung des natürlichen zirkadianen Rhythmus, auch bekannt als „Innere Uhr“, führt häufig durch Schichtarbeit zu Schlafproblemen24. Der zirkadiane Rhythmus hilft uns, uns an den Tag-Nacht-Zyklus anzupassen und sorgt dafür, dass unser Körper zu bestimmten Zeiten aktiv und zu anderen Zeiten ruhiger ist, etwa wenn wir schlafen.
- Koffein und andere Stimulanzien: Koffein und Nikotin blockieren die beruhigende Wirkung von Adenosin und stören so den Schlaf. 25
- Medikamenten-Effekte: Bestimmte Medikamente, insbesondere Antidepressiva und Beta-Blocker, können Schlafprobleme verursachen. 26
5. Tipps für besseren Schlaf
Wir möchten dir einige Tipps an die Hand geben, damit du in Zukunft einen verbesserten Schlaf haben kannst. Denn es ist nicht nur wichtig, die ausreichende Stundenanzahl von Schlaf zu bekommen, sondern auch die Qualität deines Schlafs ist enorm wichtig. Wie du diese verbessern kannst, erfährst du im Folgenden:
- Regelmäßiger Schlafrhythmus: Gehe jeden Tag zur gleichen Zeit ins Bett und stehe zur gleichen Zeit auf, auch an Wochenenden. Ein konstanter Schlaf-Wach-Rhythmus hilft, den natürlichen zirkadianen Rhythmus zu stabilisieren. 27
- Schlafumgebung optimieren: Sorge für eine ruhige, dunkle und kühle Schlafumgebung. Ein kühles Zimmer (ca. 18°C) fördert den Schlaf.28 Verdunkelungsvorhänge oder eine Schlafmaske können helfen, Lichtquellen zu blockieren, und Ohrenstöpsel können störende Geräusche minimieren.
- Bewegung und körperliche Aktivität: Regelmäßige Bewegung fördert einen besseren Schlaf, insbesondere aerobes Training. Achte jedoch darauf, intensives Training nicht zu kurz vor dem Schlafengehen zu machen, da es den Körper aufwühlen kann. 29
- Abendliche Entspannungsroutine: Vermeide stimulierende Aktivitäten wie Fernsehen oder Arbeiten vor dem Schlafengehen. Stattdessen können Entspannungstechniken wie Meditation, tiefes Atmen oder sanftes Dehnen den Körper auf den Schlaf vorbereiten.30
- Begrenzung von Koffein und Nikotin: Koffein und Nikotin sind Stimulanzien, die den Schlaf stören können. Vermeide sie mindestens 4–6 Stunden vor dem Schlafen.31
- Vermeidung von schweren Mahlzeiten vor dem Schlaf: Schwere Mahlzeiten, die reich an Fett und Zucker sind, können die Schlafqualität beeinträchtigen. Ein leichter Snack ist in Ordnung, aber vermeide große Mahlzeiten unmittelbar vor dem Schlafengehen. 32
- Digitale Geräte meiden: Das blaue Licht von Smartphones, Tablets und Computern hemmt die Produktion des Schlafhormons Melatonin und stört den Einschlafprozess. Reduziere die Nutzung von Bildschirmen mindestens eine Stunde vor dem Schlafen.33
6. Fazit
Ein erholsamer Schlaf ist von essenzieller Bedeutung für die physische, mentale und emotionale Gesundheit und sollte keinesfalls vernachlässigt werden. Die Schaffung einer optimalen Schlafumgebung, die Aufrechterhaltung eines regelmäßigen Schlafrhythmus und die Förderung einer bewussten Lebensweise können zu einer signifikanten Verbesserung der Schlafqualität beitragen. Für Personen, die zusätzliche unterstützende Präparate in Erwägung ziehen, könnten hochdosiertes Magnesiumsulfat oder natürliche Mittel wie Baldrian von Nutzen sein. Es ist jedoch zu beachten, dass die Studienlage zur Wirksamkeit und Sicherheit dieser Präparate noch nicht abschließend geklärt ist. Daher wird eine Rücksprache mit einem Arzt oder Apotheker empfohlen. Schlussendlich ist Schlaf ein zentraler Baustein des Wohlbefindens und der Regeneration, dessen Bedeutung durch keine Alternative vollständig ersetzt werden kann.
7. Quellenangabe
- Irwin, 2015 ↩︎
- Diekelmann & Born, 2010 ↩︎
- Walker, 2017 ↩︎
- Diekelmann & Born, 2010; Walker, 2017 ↩︎
- Spiegel et al., 2009 ↩︎
- Goldstein & Walker, 2014 ↩︎
- Carskadon & Dement, 2017 ↩︎
- Kryger et al., 2017 ↩︎
- Dement & Kleitman, 1957 ↩︎
- Carskadon & Dement, 2017 ↩︎
- vgl. Walker, 2017 ↩︎
- vgl. Goldstein & Walker, 2014; Suni & Suni, 2024 ↩︎
- vgl. Goldstein & Walker, 2014b ↩︎
- vgl. Suni & Suni, 2024 ↩︎
- Goldstein & Walker, 2014 ↩︎
- Goldstein & Walker, 2014 ↩︎
- Dinges et al. 1997 ↩︎
- Walker, 2017 ↩︎
- Goldstein & Walker, 2014 ↩︎
- Sood et al., 2010 ↩︎
- Riemann & Nissen, 2010 ↩︎
- Zohar et al., 1995 ↩︎
- Young et al., 2002 ↩︎
- Härmä et al., 2010 ↩︎
- Roehrs & Roth, 2008 ↩︎
- Van de Wiele et al., 2005 ↩︎
- Walker, 2017 ↩︎
- Hirshkowitz et al., 2015 ↩︎
- Buman et al., 2014 ↩︎
- Roth et al., 2006 ↩︎
- Roehrs & Roth, 2008 ↩︎
- Hirshkowitz et al., 2015 ↩︎
- Chellappa et al., 2011 ↩︎
Autoren
Luca Schollenberger
Physiotherapeut
Luca ist seit 2022 bei Move und hat sich auf evidenzbasierte Therapie, Studienrecherche und die Verfassung von Fachtexten spezialisiert. Mit seiner Erfahrung in der Arbeit mit Sportlern verknüpft er Praxis und Wissenschaft, um fundierte und praxisnahe Inhalte zu erstellen.