Schulter Impingement – Mehr Mythos als Wahrheit?

Autoren: Lisa Gautschi & Luca Schollenberger

Lesezeit: 5 Minuten
Eine Frau berührt ihre schmerzende Schulter

Das Schulterimpingement ist eine der häufigsten Diagnosen bei Schulterschmerzen und betrifft schätzungsweise 10 % der Bevölkerung in Deutschland. Jährlich werden etwa 30.000 arthroskopische Operationen zur Behandlung des Impingement-Syndroms durchgeführt.1

Dabei wird oft diskutiert, ob es sich um eine tatsächliche mechanische Problematik handelt oder ob andere Faktoren eine größere Rolle spielen. Ziel dieser Arbeit ist es, das Impingement-Syndrom kritisch zu hinterfragen und zu klären, ob es sich hierbei um einen Mythos oder eine nachweisbare Wahrheit handelt.

1. Was ist ein Impingement?

Das Impingement-Syndrom beschreibt eine Einklemmung von Weichteilgewebe, insbesondere der Sehnen der Rotatorenmanschette oder des Schleimbeutels (Bursa subacromialis), im Subacromialraum, dem Bereich zwischen Oberarmkopf (Humeruskopf) und Schulterdach (Acromion). Dies kann zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen.

Die Rotatorenmanschette ist eine Gruppe von Muskeln und Sehnen, die das Schultergelenk stabilisieren und bewegen. Der Subacromialraum kann durch verschiedene Faktoren verengt werden, was zu einer mechanischen Reizung der Sehnen und Schleimbeutel führt. Die klassische Theorie besagt, dass diese Einklemmung mechanisch bedingt ist, beispielsweise durch knöcherne Veränderungen des Acromions. Neuere Erkenntnisse legen jedoch nahe, dass nicht allein mechanische Faktoren für die Beschwerden verantwortlich sind, sondern auch muskuläre Dysbalancen, Überlastung und entzündliche Prozesse eine Rolle spielen können.2

Das Impingement-Syndrom der Schulter kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden. Eine häufige Ursache ist eine anatomische Engstelle, wie ein hakenförmiges Acromion, das den subakromialen Raum verringert.3 Ebenso spielen muskuläre Dysbalancen eine zentrale Rolle. Eine Schwäche der Rotatorenmanschette kann dazu führen, dass der Humeruskopf (Oberarmkopf) nicht optimal im Glenoid (Gelenkpfanne) zentriert wird, wodurch es zu einer vermehrten Reibung und Irritation von Sehnen und Schleimbeuteln kommt.4 Überlastungen, insbesondere durch wiederholte Überkopfarbeiten oder Sportarten wie Schwimmen oder Tennis, verstärken die Problematik.5 Zudem können entzündliche Veränderungen innerhalb des Gelenks oder der Sehnen zu einer Schwellung führen, die den subakromialen Raum weiter verengt.

Symptomatisch äußert sich das Impingement-Syndrom typischerweise durch Schulterschmerzen, insbesondere bei Überkopfbewegungen oder seitlichem Anheben des Arms. Häufig berichten Betroffene über nächtliche Schmerzen, die das Liegen auf der betroffenen Schulter erschweren. In fortgeschrittenen Stadien kann es zu Kraftverlust, Bewegungseinschränkungen und einer verminderten Schulterfunktion kommen. Zur Diagnosestellung werden klinische Tests wie der Neer- oder Hawkins-Kennedy-Test genutzt, die eine Schmerzprovokation durch spezifische Bewegungen überprüfen.6

Eine Frau berührt ihre Schulter.

2. Welche Behandlungsmöglichkeiten habe ich und ist eine Operation nötig? 


Bei der Behandlung des Impingement-Syndroms stellt die konservative Therapie die erste Wahl dar. Diese zielt darauf ab, Schmerzen zu reduzieren, muskuläre Dysbalancen auszugleichen und die Beweglichkeit sowie Stabilität der Schulter zu verbessern. Zu den wichtigen Maßnahmen zählen:

  • Physiotherapie: Durch gezielte Kräftigungs- und Mobilisationsübungen werden muskuläre Ungleichgewichte korrigiert, insbesondere in der Rotatorenmanschette und der scapulothorakalen Muskulatur (Schultergürtel Muskulatur).7
  • Haltungs- und Bewegungskontrolle: Eine Verbesserung der Körperhaltung und der Schultermechanik kann dazu beitragen, die Belastung auf das Gelenk zu verringern.
  • Anpassung der Belastung: Überkopfarbeiten oder repetitive (wiederkehrende) Bewegungen sollten reduziert oder durch ergonomische Anpassungen optimiert werden8.
  • Schmerztherapie: Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und gegebenenfalls Kortison-Injektionen können kurzfristig zur Schmerzlinderung beitragen, sollten aber nicht als langfristige Lösung betrachtet werden.9
Eine Frau ist beim Arzt und ihre Schulter wird getaped.

 

Operative Maßnahmen:

In Fällen, in denen eine konservative Therapie über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten keine ausreichende Besserung bringt, kann eine operative Behandlung erwogen werden10.

Dazu gehören:

  • Arthroskopische Dekompression (Acromioplastik): Entfernung von knöchernen Anbauten am Acromion zur Erweiterung des subakromialen Raums.
  • Rotatorenmanschettenrekonstruktion: Bei nachgewiesenen Sehnenrissen kann eine Naht der Rotatorenmanschette notwendig sein.

Es liegen jedoch Studien vor, die belegen, dass operative Eingriffe nicht zwangsläufig zu besseren Ergebnissen führen als konservative Maßnahmen. Eine systematische Übersichtsarbeit von Beard et al. (2018) ergab, dass Patienten nach einer subakromialen Dekompression häufig keinen größeren Nutzen haben als nach einer physiotherapeutischen Behandlung. Daher sollte eine Operation nur nach Ausschöpfung aller konservativen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden.

3.   Welche Präventivmaßnahmen gibt es und wie können wir als MOVE dich dabei unterstützen?

Ein regelmäßiges Krafttraining der Rotatorenmanschette und der Scapulastabilisatoren (Schulterblattstabilisatoren) ist von hoher Bedeutung. Ebenso die Verbesserung der Haltung, insbesondere bei Schreibtischarbeit. Bei Überkopfsportarten sollte die Kontrolle der Technik beübt und optimiert werden. Zudem sollten einseitige Belastungen und vor allem Überlastungen vermieden werden. Wir im MOVE können durch gezielte physiotherapeutische Betreuung, individuellen Trainingsplänen und Schulungen zur Optimierung der Schultergesundheit beitragen. Zudem werden spezifische Bewegungsanalysen angeboten, um muskuläre Dysbalancen frühzeitig zu erkennen und auszugleichen.

Therapeut arbeitet mit einer Patientin.

4.  Fazit  

Das Impingement-Syndrom manifestiert sich als eine komplexe Erkrankung, deren Ätiologie (Entstehung) auf unterschiedlichen Faktoren beruht. Gemäß der klassischen Theorie ist das Krankheitsbild von einer mechanischen Einklemmung geprägt, während neuere Studien den Einfluss funktioneller Faktoren betonen. Konservative Therapieansätze erweisen sich in der Regel als effektiv, während eine Operation nur in spezifischen Fällen indiziert ist. Durch präventive Maßnahmen und eine auf den Einzelnen abgestimmte Betreuung lässt sich das Risiko für Schulterschmerzen signifikant minimieren.

5. Quellenangabe

  1. Seitz et al., 2019 ↩︎
  2. Seitz et al., 2019; Ludewig & Braman, 2011 ↩︎
  3. Bigliani et al., 1991 ↩︎
  4. Ludewig & Braman, 2011 ↩︎
  5. Seitz et al., 2019 ↩︎
  6. Michener et al., 2009 ↩︎
  7. Kuhn, 2009 ↩︎
  8. Seitz et al., 2019 ↩︎
  9. Boudreault et al., 2020 ↩︎
  10. Paavola et al., 2020 ↩︎

Autoren

Lisa

Lisa Gautschi

Sporttherapeutin

Lisa ist seit 2023 Teil des Move-Teams und begeistert sich für aktuelle Fitness- und Gesundheitstrends. Ihre Schwerpunkte liegen im Kraft- und Beweglichkeitstraining sowie im Personal Training.

Luca Schollenberger

Physiotherapeut

Luca ist seit 2022 bei Move und hat sich auf evidenzbasierte Therapie, Studienrecherche und die Verfassung von Fachtexten spezialisiert. Mit seiner Erfahrung in der Arbeit mit Sportlern verknüpft er Praxis und Wissenschaft, um fundierte und praxisnahe Inhalte zu erstellen.

Schollenberger Luca