Stressmanagement im Heilungs- und Rehabilitations-prozess
Autoren: Timm Schollenberger & Richard Schradin
Mit diesem Guide möchten wir dir zeigen, welche wichtige Rolle Stressmanagement im Heilungs- und Rehabilitations-prozess, aber auch in deinem Leben spielt und welche Maßnahmen du ergreifen kannst, um Stress positiv zu beeinflussen. Hierfür beziehen wir uns ausschließlich auf wissenschaftliche Studien und unsere jahrelange Erfahrung in der Praxis.
1. Was ist Stress und warum haben wir Stress?
1.1 Definition
Stress bezeichnet die starke Belastung eines Menschen durch verschiedene innere oder äußere Faktoren, z. B. durch Zeitdruck, Beziehungskonflikte, Schmerzen oder Schlafentzug. Ursprünglich war diese Reaktion des Körpers wichtig, um in gefährlichen Situationen schnell handeln zu können. Heute hat Stress jedoch oft negative Auswirkungen auf Körper und Geist. Da Stress durch die Wechselwirkung zwischen einer Person und ihrer Umgebung entsteht, können Maßnahmen zur Vorbeugung sowohl beim Einzelnen selbst als auch auf gesellschaftlicher oder organisatorischer Ebene ergriffen werden.
1.2 Stresssymptome
Mögliche Symptome könnten sein:
- körperliche Symptome wie Herzrasen, Schwitzen, Atembeschwerden
- psychische Symptome wie Nervosität, Reizbarkeit, Ängstlichkeit und ein Gefühl der inneren Leere
- geistige Leistungsfähigkeit wie Konzentrationsprobleme, ständiges Grübeln, geistige Abwesenheit, häufige Fehler
- chronische Symptome wie Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, chronische Müdigkeit und Erschöpfung, sexuelle Probleme.
1.2 Unterschied positiver und negativer Stress
Die meisten Menschen verbinden mit dem Wort Stress negative Einflüsse, wie z. B. zwischenmenschliche Konflikte oder Zeitdruck. Dieser sogenannte Disstress beschreibt einen unangenehmen Zustand, bei dem es der Person nicht vollständig gelingt, die Situation zu bewältigen. Disstress wird als Belastung empfunden und ruft Angst und Hilflosigkeit hervor. Im Gegensatz dazu gibt es auch positiven Stress (Eustress). Er wird als Herausforderung empfunden und motiviert zum aktiven, gestaltenden Handeln.
Die Unterscheidung zwischen Dis- und Eustress macht deutlich, dass Herausforderungen nicht per se negativ sind, sondern durch das Erleben und Bewerten der Person ihre Bedeutung erhalten. Durch ihre individuellen Motive, Einstellungen und Bewertungen, mit denen eine Person an Herausforderungen herangeht, beeinflusst sie, wie stark das Stresserleben und damit die körperliche Stressreaktion ausfällt. 1
1.3 Wie reagiert der Körper auf Stress?
Stress ist eine natürliche Reaktion des Körpers auf Bedrohungen oder Herausforderungen und dient dazu, den Organismus für Kampf- oder Fluchtreaktionen vorzubereiten. Diese Reaktionen sind evolutionär alt und werden durch Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol ausgelöst. Sie führen dazu, dass die Herzfrequenz steigt, der Blutdruck steigt, die Atmung schneller wird und der Körper Energie aus seinen Speichern (wie der Leber, den Muskeln und dem Fettgewebe) freisetzt. Funktionen, die für das unmittelbare Überleben nicht wichtig sind, wie Verdauung und Libido, werden während dieser Zeit gehemmt.
Stressreaktionen folgen einem bestimmten Muster, das als „Allgemeines Adaptationssyndrom“ beschrieben wird. Es besteht aus drei Phasen:
Alarmreaktion: Der Körper reagiert auf eine Bedrohung oder Herausforderung, indem er schnell Energie bereitstellt und auf Aktivität umschaltet. Dies erhöht die Leistungsbereitschaft.
Widerstandsphase: Der Körper versucht, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Hier versucht der Organismus, sich an die anhaltenden Stressbedingungen anzupassen oder diese zu beseitigen, um die hohe Aktivität zu reduzieren.
Erschöpfungsphase: Wenn der Körper dauerhaft hohem Stress ausgesetzt ist und keine Erholung findet, kann er sich erschöpfen. Der Organismus verliert seine Fähigkeit, sich weiterhin anzupassen.
Gesundheitliche Folgen von Stress können sein:
Wenn der Körper dauerhaft hohen Stress ausgesetzt ist, ohne dass er sich ausreichend erholen kann, entstehen gesundheitliche Probleme. Die Fähigkeit des Körpers, sich anzupassen und das innere Gleichgewicht wiederherzustellen, ist begrenzt. Chronischer Stress kann zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen führen, darunter:
Herz-Kreislauferkrankungen: zum Beispiel Bluthochdruck oder Herzinfarkt.
Stoffwechselerkrankungen: wie Typ-2-Diabetes oder hohe Cholesterinwerte.
Schmerzen: Kopf- und Rückenschmerzen durch Verspannungen.
Störungen der Sinnesorgane: beispielsweise erhöhter Augeninnendruck oder Hörprobleme.
Psychische Erkrankungen: wie Angststörungen oder Depressionen.
Stress wirkt dabei nicht direkt als Ursache dieser Erkrankungen, sondern eher als ein zusätzlicher Faktor, der die Entstehung dieser Krankheiten begünstigt. Der Körper kann die während des Stresses freigesetzte Energie nicht abbauen, da wir heutzutage selten in einer echten Kampf- oder Fluchtsituation sind. Viele Menschen sind zudem ständig unter Stress und haben keine Möglichkeit zur Erholung.
1.4 Warum haben wir Stress?
Er versetzt unseren Körper in einen Zustand erhöhter Leistungsfähigkeit und ermöglicht ihm Flucht- oder auch Angriffsreaktionen. Damit kann er auf besondere Situationen schnell und angemessen reagieren.
Stress wirkt sich auf den gesamten Menschen aus. Hierbei unterscheiden wir zwischen unterschiedlichen Formen, die Stress auslösen können.
Emotionaler Stress – kann durch etwa Angst, Wut oder Hilflosigkeit ausgelöst werden.
Mentaler Stress – kann durch geistige Herausforderungen, Arbeitsdruck oder Prüfungssituation ausgelöst werden.
Sozialer Stress – kann durch Mobbing oder eine hohe Erwartungshaltung von außen ausgelöst werden.
Körperlicher Stress – kann durch Krankheiten oder körperliche Überlastung ausgelöst werden.
Stress mobilisiert Energiereserven und kurbelt den Stoffwechsel an. Kurzfristig kann Stress also durchaus zu positiven Effekten führen, zum Beispiel beim Sport oder in Prüfungssituationen.
2. Physiologische & psychologische Auswirkungen von Stress auf die Rehabilitation
Langanhaltender Stress führt zu einer erhöhten Ausschüttung von Cortisol, einem Hormon, das entzündungshemmend wirkt. Kurzfristig kann dies hilfreich sein, da es Entzündungen reduziert und so die Heilung fördert. Langfristig jedoch kann eine dauerhafte Cortisolausschüttung die Heilung von Gewebeverletzungen wie Muskeln, Knochen oder Bändern erheblich verlangsamen.2
Stress beeinträchtigt zudem zentrale Heilungsprozesse wie die Zellproliferation und die Kollagensynthese, die für die Regeneration von Gewebe entscheidend sind.3 Zusätzlich schwächt Stress das Immunsystem, was das Risiko für Infektionen erhöht. Dies ist besonders kritisch bei chirurgischen Eingriffen oder offenen Wunden, bei denen eine starke Immunantwort erforderlich ist.4
Ein weiteres häufiges Problem bei Stress ist die erhöhte Muskelspannung. Diese kann bestehende Verletzungen verschlimmern, die Beweglichkeit einschränken und somit den Heilungsprozess erschweren.5 Gleichzeitig hat Stress auch psychologische Auswirkungen auf die Rehabilitation. Menschen, die unter Stress stehen, verlieren oft die Motivation und das Engagement für wichtige Rehabilitationsmaßnahmen wie Physiotherapie oder Training.6 Stress kann darüber hinaus Angst und Depressionen verstärken, was die Schmerzempfindung erhöht und die Zusammenarbeit mit Therapeuten erschwert.7
Stress verändert auch die Schmerzwahrnehmung. Das zentrale Nervensystem wird empfindlicher, wodurch Schmerzen intensiver wahrgenommen werden. Dies kann die Fortschritte in der Rehabilitation behindern und den Heilungsprozess weiter verzögern.8 Schließlich beeinflusst Stress auch das Verhalten, indem er ungesunde Bewältigungsstrategien wie Rauchen, Alkoholkonsum oder eine ungesunde Ernährung fördert, die allesamt die Heilung verlangsamen können.9
3. Stress besser managen
Ein ganzheitlicher Ansatz, der verschiedene Strategien zur Stressbewältigung kombiniert, kann dabei helfen, die Widerstandsfähigkeit zu stärken und das allgemeine Wohlbefinden zu fördern. Ein strukturierter Tagesablauf mit festen Zeiten für Therapie, Pausen und Freizeit schafft Ordnung und verhindert Überforderung. Er vermittelt ein Gefühl von Kontrolle und hilft, Prioritäten zu setzen, was langfristig die Stressbewältigung erleichtert.10 Auch Sport kann helfen, Stress abzubauen und das Wohlbefinden zu verbessern. Wenn wir uns regelmäßig bewegen, reagiert unser Körper weniger stark auf Stress, und wir fühlen uns insgesamt entspannter.11
Besonders Ausdauersportarten wie Joggen, Schwimmen oder Radfahren helfen, den Stresshormonspiegel zu senken. Gleichzeitig werden Glückshormone wie Serotonin und Dopamin freigesetzt, die unsere Stimmung heben.12 Dadurch können Menschen, die regelmäßig Sport treiben, besser mit belastenden Situationen umgehen.13
Sogar unser Gehirn profitiert: Bewegung verbessert die Konzentration und kann helfen, Ängste oder Sorgen zu reduzieren.14 Studien zeigen, dass bereits 30 Minuten moderate Bewegung pro Tag ausreichen, um die positiven Effekte auf die Psyche zu spüren.15
Psychologische Unterstützung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Beratungen oder Therapien, wie etwa die kognitive Verhaltenstherapie, können dabei helfen, mit Stress besser umzugehen und negative Denkmuster zu verändern. Durch individuell entwickelte Bewältigungsstrategien lassen sich emotionale Belastungen reduzieren, was das persönliche Wohlbefinden steigert (Beck, 2011; Smith et al., 2020). Ergänzend dazu haben sich Entspannungstechniken wie Atemübungen, progressive Muskelentspannung oder Yoga als wirkungsvoll erwiesen. Diese Methoden fördern die körperliche und mentale Erholung und tragen dazu bei, den Stresspegel langfristig zu senken.16 Ein starkes soziales Netzwerk aus Familie, Freunden oder auch speziellen Gruppen bietet emotionale Unterstützung und hilft dabei, Belastungen gemeinsam zu bewältigen. Soziale Beziehungen wirken wie ein Schutzschild für die psychische Gesundheit und fördern das Gefühl von Zugehörigkeit. 17
Ansonsten spielen Ernährung und Schlaf eine wichtige Rolle. Eine ausgewogene Ernährung und ausreichender Schlaf sind essenziell für die körperliche Regeneration und die langfristige Stabilität der mentalen Gesundheit.18 Durch die Kombination all dieser Maßnahmen, die wissenschaftlich gut dokumentiert sind, können Stress und emotionale Belastungen effektiver bewältigt werden, wodurch sowohl die psychische als auch die physische Gesundheit gestärkt wird.
4. Wie können wir dir dabei helfen?
Wie du nun weißt, können Sport und Bewegung eine elementare Rolle einnehmen dein Stresslevel langfristig zu reduzieren. Wir bieten dir eine umfassende Unterstützung, die sowohl gezielte Trainingsoptimierung als auch eine individuell angepasste Ernährungsberatung umfasst. Dank unseres geschulten Personals können wir einen Ansatz entwickeln, der genau auf deine Bedürfnisse abgestimmt ist. So helfen wir dir, Stress effektiv abzubauen und deine Rehabilitation optimal zu fördern.
4. Quellenangabe
- vgl. Kaluza 2018 ↩︎
- Dhabhar, 2014 ↩︎
- Glaser & Kiecolt-Glaser, 2005 ↩︎
- Cohen et al., 2012 ↩︎
- Brosschot et al., 2005 ↩︎
- Lazarus & Folkman, 1984 ↩︎
- Bair et al., 2003 ↩︎
- Chapman et al., 2008 ↩︎
- Kiecolt-Glaser et al., 2002 ↩︎
- Penedo & Dahn, 2005 ↩︎
- Fuchs & Leppin, 1992 ↩︎
- Gerber & Pühse, 2008 ↩︎
- Klaperski, Seelig & Fuchs, 2012 ↩︎
- Hötting & Röder, 2013 ↩︎
- Roth & Petruzzello, 2006 ↩︎
- Grossman et al., 2004; Khalsa, 2013 ↩︎
- Cohen & Wills, 1985; Taylor, 2011 ↩︎
- Jacka et al., 2017; Walker, 2017 ↩︎
Autoren
Timm Schollenberger
Physiotherapeut
Timm ist seit 2022 Teil des Move-Teams und bringt eine besondere Leidenschaft für wissenschaftliches Arbeiten und die Betreuung von Kniepatienten, insbesondere nach Kreuzbandverletzungen, mit. Neben der Therapie von Sportverletzungen widmet er sich den Themen Ernährung und Schlaf, um seinen Patienten ganzheitliche Unterstützung zu bieten.